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Minnesang


Lange Winter - harte Zeiten
Im offenen Kamin flackert ein Feuer. Es taucht den grossen Raum in schwaches Licht. Die Fenster sind mit Tüchern verhängt. Am Boden liegt Stroh, um die Kälte der Steinplatten zu mildern. Ritter Rudolf sitzt auf einer Truhe. Er musiziert. Sein Sohn Karl lauscht der Melodie. Hedwig wiegt ihren Jüngsten in den Schlaf. Draussen liegt meterhoch Schnee. Seit Tagen hat es unaufhörlich geschneit. Das ganze Land scheint wie ausgestorben. Klirrende Kälte liess sogar das Wasser im tiefen Sodbrunnen gefrieren. Wenn die Burgleute Wasser benötigen, müssen sie Schnee oder Eis schmelzen. Niemand geht nach draussen. Alle versammeln sich in den wenigen Räumen, die man heizen kann. Die Kemenate im Palas, das heizbare Frauengemach, dient den Rittersleuten als Wohnraum. Das Gesinde weilt in der Küche vor dem mächtigen, offenen Herd. Alles drängt sich ums wärmende Feuer.

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Plötzlich dringt schwach der Ruf des Turmwächters in die Gemächer: "Fremder Reiter naht!" Die Burg erwacht aus ihrem Schlaf. Jeder Fremde bringt Abwechslung! In der harten und einsamen Winterzeit ist er besonders willkommen. Der Fremde ist ein fahrender Ritter. Durch unglückliche Umstände verarmt, hat er die Burg verloren. Nun zieht er von Burg zu Burg, bringt Neuigkeiten aus aller Weit, singt Lieder und erzählt Geschichten. "Du, Vater", fragt Karl, "weshalb ist der Mann nicht mehr Ritter?"
"Er war zu gut mit seinen Untertanen. Sie haben das ausgenützt. Nur mild zu sein, ist nicht gut. Es braucht auch Strenge! erklärt dieser. Nun muss er als Minmsänger umherziehen, um sein Brot zu verdienen."

Der Minnesänger hat zugehört. Er sagt: "Nur streng zu sein, ist auch nicht gut! Ich habe Ritter getroffen, die mir kein Brot gaben, kein Hemd schenkten und die Hunde auf mich hetzten. Bei ihren Hörigen habe ich aber Gastfreundschaft erhalten und erfahren, dass sie sich gegen ihre ungerechten Herrn erheben wollen. Ich sage euch, es kommen schwere Zeiten!"Ritter Rudolf nickt nachdenklich. Auch er hat schon davon gehört, dass, sich die Leibeigenen gegen ihren Ritter erhoben haben. Mord, Totschlag und Raub wären der Preis für Härte und Ungerechtigkeit. Die dunkle Nacht senkt sich über die Burg.
Lange noch lauschen die Rittersleute den Erzählungen des Minnesängers. Sie erfahren Dinge aus der weiten Welt, von Kriegen, Hungersnöten, Krankheiten. Als sie ins Bett gehen und die langen Vorhänge über der Bettstatt schliessen, damit die Wärme im Bett bleibt, denkt Rudolf: "Im Grunde genommen haben wir es gut: das bisschen Kälte dieses Winters ist nichts im Vergleich zu den Nöten, von denen wir heute erfahren haben."